Montag, 19. Januar 2015

Und alles ändert sich. . .

Hallo ihr Lieben,

schon oft habe ich gedacht, dass mein Blog eine Art Kommunikationsfunktion hat. Zu erzählen und niederzuschreiben, was ich hier erlebe, Fotos zu teilen, Erfahrungen hinauszubringen, Gefühle und Gedanken zu äußern.
Er ist auch eine Erinnerung an meine Zeit hier in Taiwan.
Vielleicht ist er am Ende ein Kommunikationsforum für mich selbst, weil ich alles nochmal Revue passieren lasse.
Er ist am Ende einfach da, er wird auch immer da bleiben, er hält Erinnerungen fest.
Aber er kann auf keinen Fall alle Erinnerungen festhalten.
Wie soll ich es sagen?
Es gibt so viel mehr, was ich in diesem Jahr gelernt habe, als nur ein anderes Land kennenzulernen. Ich lerne nicht nur eine andere Kultur zu verstehen, sondern auch die Welt, das Denken und Handeln der Menschen (zumindestens versuche ich es, denn manchmal ist das ganz schön schwer. . .) und vorallem lerne ich mich kennen.
Ja, es ist wahr. Ein Austauschjahr prägt extrem und das merke ich jetzt schon. Ich habe hier Empfindungen, die ich zuvor noch nie gespürt habe. Positive als auch negative.
Ich weiß nicht, wie ich formulieren kann, was ich fühle. Gespräche mit den wundervollen Leuten, die ich hier getroffen habe, werden immer in meinem Kopf bleiben, sie haben mich geprägt. Und diese Erinnerungen, diese Prägungen werden auch nicht mehr gehen.
Und obwohl ich weiß, dass sie nicht mehr gehen werden, weil sie einfach passiert sind, möchte ich manchmal die Zeit anhalten, ich möchte manchmal einfach alle Zeiger stoppen, damit ich bestimmte Momente länger geniessen, auskosten und bewusster wahrnehmen kann. Es ist so schwer, dass alles in meinem Sinne zu beschreiben. Aber mein Herz ist berührt und ich spüre wie es schlägt, wie es lebt, was mein Leben zu einem Leben macht.

 Wie immer geht es einmal pro Woche zum Frühstück mit meiner Klassenkameradin und der Thailänderin - hier: shao bin (fritierter Blätterteig im Blätterteig - oder so ähnlich) und wie immer warme Sojamilch :)
 Meine Mama war zu einem Trip in Yilan (da wo ich mit meiner Familie auch zu Neujahr war) und hat mir mua ji mitgebracht. Da es in Yilan ja die berühmten heißen Quellen gibt, wird dieses Wasser auch genutzt um die mua ji herzustellen. 
Als mua - ji - Liebhaber wie ich merkt man den Unterschied :)
Hier (von oben nach unten): Erdnuss, grüne Bohnen, Sesam und rote Bohnen.
 Montag und Donnerstag geht es jetzt immer zum Parkour Training.
Davor ging es zu meinem "Lieblings - geheim - Kiosk" . . . 
. . . das hier ist Matchabrot belegt mit diversen Salat und Gemüse und dazu ein Schwarztee mit Sojamilch - njam njam :)
 Und meine Thailänderin ist diesmal auch mit zum Pakour gekommen, deshalb haben wir gleich zusammen gegessen.
Allerdings hat sie zurzeit eine Verletzung am Fußgelenk (aber nicht vom Pakour), deshalb werde ich die nächste(n) Wochen erstmal wieder alleine hingehen.
 Auf dem Weg zum Pakour haben wir einen Laden entdeckt, in dem es viele typische thailändische Dinge gab. Es war Zufall, dass wir den Laden gefunden haben, aber die Freude für die Thailänderin umso größer.
Diese Boxen, die ihr hier seht, sind typisch thailändische Lunchboxen (Mittagsbüchsen). Das Essen wird in kleinen Boxen gestapelt und dann wie in Taiwan in einem (Dampf)ofen gestellt um das Mittagsessen aufzuwärmen.

Am Freitag haben meine Mitschüler in meiner Schule wieder Exam geschrieben. Deshalb konnten wir Austauschschüler später in die Schle kommen, weil wir mit den 3 Referendaren wieder zur "Activity" gegangen sind.
Es ging diesmal zum fine arts museum (Kunstmuseum), aber da die Ausstellungen bearbeitet wurden, konnten wir nur das Untergeschoss beschauen. War zwar irgendwie doof, aber auch okay.
 Ja, sehr viel moderne Kunst

 Süßkartoffeln auf Lichterstäbchen aufgespießt

 Ein Schimmelbild (hinter Glas und ich glaube nicht, dass es unecht war . . . da wechselt das Bild wahrscheinlich jeden Tag
 . . . tja, wie hat mein Lehrer immer gesagt? "Ist das Kunst oder kann das weg?")







 Eine meiner "Betreunungslehrerinnen"
 Übersetzt heißt das: ". . . ist Deutschländer"
是 = sein - shi
德 = Moral (aber hier: "deutsch") - de
國 = Land / Staat - guo
人 = Mensch - ren
Es ging um einen deutschen Künstler namens Paul Klee.


Weiter ging es dann . . .

 . . . zum Taipei Geschichtsmuseum

 Nochmal meine Lehrerin


Gegen Mittag sind unsere Lehrer zurück zur Schule gefahren und wir waren somit für den Rest des Tages "frei". Also bin ich mit der Thailänderin durch das "Kunstgelände / Kunstpark" neben dem Kunstmuseum gelaufen und haben einfach nur ein bisschen die Zeit genossen. Das das ganze in einem Fotoshooting endet war zwar nicht geplant (sie hatte sich ja zu ihrem Geburstag die Kamera gekauft), aber es war sehr cool :)






















 





Am Samstagmorgen bin ich (schon wieder) früh aufgestanden, denn ich bin (mal wieder) mit meinem Rotaryclub wandern gegangen.
Diesmal hat mein 1. Gastpapa diese Wanderung organisiert (er ist ja in meinem Rotaryclub), sodass ich die Orte an die wir gefahren sind schon fast alle kannte, weil meine 1. Gastfamilie ja das "Berghaus" hat. Und dort war ich ja schon dreimal (und einmal sogar über Nacht). Aber das Wetter war sehr schön und es war wieder ein wundervoller "Herbsttag". Allerdings hatte ich noch (oder schonwieder) Muskelkater vom Pakour, was das ganze erschwert hat, aber Bewegung tut dem Kater gut :)

 Mein Club "Taipei Far East" (Taipei ferner Osten)











 Und danach ging es halt noch zum Berghaus zum Ausruhen (und Karaoke)


Sonntag hatte ich ebenfalls eine Rotaryveranstaltung, aber diesmal mit dem Distrikt und den anderen Austauschschülern.
Wir sind in das traditionelle Taipei Puppenspielhaus gegangen, haben Kalligraphie geschrieben (die traditionelle Art zu schreiben mit dem Pinsel - wir haben hier ja bald chinesisches Neujahr), ein Puppenspiel angeschaut, durch das Museum gelaufen und am Ende sogar selbst "Puppen" gebastelt.
 Zum Puppenspielhaus bin ich mit dem Bus gefahren, ich suche mir die Buslinien raus, denn ich will ja jetzt mehr mit dem Bus fahren, um mehr von Taipei zu sehen. Und ich bin echt stolz, dass ich mitlerweile die verschiedenen Haltestellen erkennen kann - auch auf Chinesisch (zumindenstens die Wichtigsten Haltepunkte und MRT Stationen)

 Kalligraphie - wer findet mich?

Wir haben die traditionelle Tür - Dekoration für das chinesisch Neujahr geschrieben.
Es wird in dieser Zeit an der Seite, über und auf der Tür angebracht und es soll Glück und Zufriedenheiten und Wohl für die Zukunft bringen.
 Meine liebe Anna (aus Dänemark)
 Das Puppenspiel



 Und am Ende durften die Austauschschüler auch mal ran.


 Und am Ende haben wir noch diese Katzenpuppen gebastelt.
 9 - Augen - Katze ;)

Das war soweit meine Woche.

Aber es war nicht der Hauptpunkt meiner Woche. Definitiv nicht. Die ganze letzte Woche war geprägt von zwei anderen Themen. Wichtigeren Themen.
Ich denke hier sehr viel nach, ich komme zu vielen Erkenntnissen. So viele Punkte während meines Austauschjahres berühren mich immer und immer wieder, und immer wieder neu.
Ich kann bestimmt nicht auf alles eingehen, das würde definitiv zu tief sein, aber zwei Sachen möchte ich gerne mit euch teilen, vielleicht regen sie zum Nachdenken an.

Es ist nicht so, dass ich hier in Taiwan nicht mitbekomme, was da gerade in Dresden los ist. Auch hier haben mich diese Nachrichten mitlerweile erreicht. Dresden ist in aller Munde, aber nicht mehr, weil es als wunderschöne Barockstadt bekannt ist, sondern weil es sich zu einem "ausländerfeindlichen Zentrum" entwickelt. 
Vielleicht kenne ich nicht alle Details, weil ich eben nicht da bin, vielleicht kenne ich zu wenige Informationen, aber ich schaue auch ab und zu in die deutschen Nachrichten. Ob das eine gute Idee war, bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher.
Okay, der Punkt ist, viele von euch wissen, was da los ist. Zwei Seiten, beide wollen sie ihre Meinung durchsetzen. 
Aber ich kann das nicht verstehen, das geht mir echt tief und möchte ehrlich sein. 
Es geht mir darum, dass ich in Taiwan auf so viele verschiedene Kulturen treffe, auf so viele verschiedene Länder. Und ja, ich hatte am Anfang meine Probleme mit manchen "stereo types", aber wie ich schon so oft geschrieben habe, hat jeder Mensch, den ich hier getroffen habe, seine eigene Geschichte, seine eigenen Gedanken und seinen eigenen Lebensstil.
Ich bin hier sowohl auf verschiedene Kulturen, Homosxualität, Sexismus, verschiedene Religionen (auch Islam) und viele andere Dinge gestoßen. Und ich sage auch, dass es am Anfang nie leicht ist, sich mit einer neuen Sache auseinanderzusetzen.
Aber am Ende sind wir alle Teenager, die erwachsen werden, die sich von ihren Eltern abnabeln wollen, die ihre Interessen durchsetzen möchten und neue fremdartige Dinge ausprobieren, um ihre Leidenschaften zu entdecken und selbstständig zu werden.
Am Ende sind wir alle Menschen.
Warum ist es so schwer, einfach mal über den anderen nachzudenken, probieren zu verstehen, probieren zu akzeptieren, auch wenn man nicht immer einverstanden ist?
Warum wird so oft nur an sich selbst gedacht und nie an den anderen?
Ich spreche hier beide Seiten an.
Ich möchte ehrlich sein: ich sehe meine Freunde in Deutschland. Ich bekomme mit, wie sie auf unterschiedlichen Seiten stehen. Sie kennen einander nicht, aber ich weiß, ich bin in der Mitte. Und ich kann nichts sagen, ich will eigentlich auch nichts sagen. Natürlich hat jedes Land Verbrecher, auch Taiwan. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass Taiwan eines der friedlichsten Länder in der Welt ist (bis auf den Konflikt mit China). 
Ich meine einmal ein Blick in die Nachrichten genügt um Angst und Schrecken zu verbreiten und schon steht man auf der Straße und hält ein Schild hoch, auf dem steht: "Wirr ist das Volk! Wir sind das Volk!" Googelt man alleine nur "Dresden" stößt man auf "Pegida gibt Lügenpressekonferenz" oder "Demo-Verbot". Und in der "Zeit Online" heißt es: "Anfang 2015 bekommt der "hässliche Deutsche" ein neues Gesicht. Er ist jetzt Dresdner."
Was?! Ich meine was soll ich denn von meinem Land und eben speziell meiner Stadt denken. Wie soll ich denn dann gerne zurückkommen?
Was läuft da falsch in der Welt? 
Am Ende ist es ein Problem von Einverständnis und Toleranz, die Welt braucht mehr Dialoge!

Und dann ist da noch die Sache mit "Charlie".
Da wir hier auch französische Austauschschüler haben, geht denen das hier auch sehr nah. Einem ganz besonders, er wohnt in Paris und der Vater seines besten Freundes hat bei "Charlie" gearbeitet. Er ist noch am Leben, aber es hat ihn sehr mitgenommen.
In der Chiang-Kai-Chek-Memorial-Hall gab es auch einen Gedenkabend und alle französischen Austauschschüler waren da. Hier ist der Link dazu (für die, die Interesse haben):

http://www.appledaily.com.tw/realtimenews/article/new/20150109/539376/?utm_source=FB&utm_medium=MWeb_Share&utm_campaign=http%3A%2F%2Fwww.appledaily.com.tw%2Frealtimenews%2Farticle%2Fnew%2F20150109%2F539376%2F

Und Dresden scheint auch bei ihnen nicht unbekannt zu sein. 
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-01/frankreich-charlie-hebdo-karrikaturen-pegida-paris-dresden

Was soll man denn dann denken? 
Auf der einen Seite bin ich verwirrt, fühle ich mich unwohl zu sagen, dass ich aus Dresden komme. Und so etwas habe ich zuvor noch nie behauptet.
Aber ich treffe hier viele Menschen, viele unterschiedliche Kulturen, ich habe einen guten Freund, der Muslim ist und ihm bleibt das auch nicht verborgen.
Aber wir leben hier alle zusammen auf einer kleinen Insel in Südostasien, alle zusammen, sind aufeinandergetroffen, haben uns als Personen dieser Erde kennengelernt und nicht als "Dresden", "Paris" oder "Muslim". Denn das ist hier nicht wichtig. Das ist nicht wichtig, wir sind am Ende alle Menschen und das Problem kommt nur auf, wenn der Dialog fehlt.
Aber warum fehlt der Dialog? Wer ist veranwortlich? Gibt es da überhaupt jemanden? Und warum denken so viele, dass es einfacher ist über den Anderen zu urteilen, anstatt über ihn und sein Handeln nachzudenken? Vielleicht ist es einfacher den Anderen zu bewerten, aber am Ende bringt das mehr Probleme, als wenn man einfach mal ein bisschen tiefer geht.

Ja, und das ist nur eine Sache, die mich hier beschäftigt, die mich zum Nachdenken bringt. 

In Taiwan lerne ich, wie sich echtes Glück anfühlt. Wie sich Verbundenheit und Vertrauen anfühlt. Wie es sich anfühlt, wenn man für den Anderen da ist, wenn man einander hilft. Wie stark man sein kann, wenn man von Glück erfüllt ist, wie man für seine Mitmenschen stark sein kann und wie man einfach füreinander da ist - es ist ein Geben und ein Nehmen. 
Und letzendlich was es bedeutet die Worte "Liebe" und "Freundschaft" in ihrer vollen Bedeutung zu benutzen. Man hört diese Worte viel zu oft, im Radio, im Fernsehen, in Romanen u.s.w. Aber wenn man erstmal lernt, wie es sich wirklich anfühlt, wenn man mental berührt wird, dann ist das so wertvoll. Und es fühlt sich verdammt gut an. Und ich sage noch einmal, dass ich NICHT das Gefühl meine, mit Schmetterlingen im Bauch über die Wiese zu hüpfen und Blumen zu pflücken. Ich meine wirklich 緣份 (yuan fen) zu empfinden. Es gibt dafür keine Übersetzung, aber es ist definitiv das Verhältnis, dass ich zu vier Personen hier aufgebaut habe. Es beschreibt genau das Gefühl, das ich zuvor beschrieben habe, wenn man fühlt, dass man dem Anderen vollkommen sein Herz öffnen kann und stets seine Arme für den anderen offen hält.
Und warum kämpfen wir lieber, anstatt das 緣份 als Ziel zu sehen und einfach die eigene Kommunikation auf es zu fokussieren?
Wäre es nicht Grund genug? Oder ist das zu naiv?

Damit schließe ich meinen Blogeintrag.

Anna

 

 

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