Montag, 30. März 2015

"Wir sollten uns nicht so sehr mit der viel beschorenen Suche nach dem Glück beschäftigen, sondern eher mit dem Glück beim Suchen."

Hallo ihr Lieben,

und jetzt sind es dann wirklich nur noch 3 Monate.
. . . Aber, die Gefühlsduselei darüber hebe ich mir aber für andere Blogposts auf.

Hier ein paar Glücksszenen vom letzten Montag nach der chinese class:
denn es hatte wie aus Eimern geregnet und da haben wir ganz spontan entschieden die Schuhe auszuziehen, den Schirm einzuklappen und eine kleine (große) Regendusche zu nehmen ;)





Ja, und wir machen ab und zu echt coole Sachen nach der chinese class, denn unsere Lehrerin ist mit uns nach der Stunde zu einem sehr berühmten "Eis-Laden" gegangen. Jetzt darf man sich aber nicht normales Cremeeis vorstellen. Es ist eher ein riesengroßer Eisklotz, von diesem werden ganz zart Eisstücke / Eisschichten abgeschreddert (mit einer Maschine). Das ganze wird dann mit Obstsoße und Früchten oder roten Bohnen oder grünen Bohnen (oder was auch immer) serviert.
Es gibt auch rote Bohnensuppe mit süßen Reisbällen gefüllt mit Sesam (mein Favorit!).





Am Donnerstag hatte ich wieder culture class.
Da wir zur Zeit hier in Taiwan gerade das Laternen Festival feiern (gefeiert haben, bzw. zieht es sich über einen langen Zeitraum), haben wir diesmal Frühlingrollen gemacht.
Ihr habt doch sicherlich alle schonmal Frühlingsrollen gegessen / gesehen. Wenigstens wenn man mal irgendwo beim asiatischen Restaurant essen war. In Taiwan gibt es diese Art von Frühlingsrollen zwar auch, aber die etwas "traditionelleren" sind länger und werden auch nicht fritiert (finde ich persönlich sogar besser).
Es ist meistens ein sehr sehr dünner Fladen aus Reismehl und Wasser, der dann nach Belieben mit Kraut, Möhren, Ei, Fleisch, Nudeln, eingelegtem Rettich, Sesampulver, Koriander und vielen anderen Dingen belegt und eingerollt werden kann.




Und wir hatten natürlich auch sehr sehr viel Spaß dabei ;)

Am Freitagnachmittag sind meine Klasse und ich zu einer Backausstellung gefahren. Ich bin ja in dieser Lebensmittelverarbeitungklasse, da fahren wir eben ab und zu mal in einer Fabrik oder Manufaktur oder eben in eine Backausstellung.

 In der MRT


 Mein Lehrer
 So sieht ein Dampfgarer aus ;)

 Und es gab dort sogar Röschti . . .
. . . und Roggen (allerdings beides aus der Schweiz).

Am Samstag war in Taiwan Gräbertag. Das ist so ein bisschen was die Totensonntag in Deutschland. Nur eben um einiges anders:
Ihr habt ja sicherlich schonmal daon gehört, dass in China Jungs oft mehr angesehen sind und höher in der Rangfolge stehen. Auch bei Geburten ist es oft so, dass Jungen für die Zukunft der Familie mehr Glück bringen. So ist es zumindestens verbreitet.
So ähnlich ist es auch in Taiwan. Mädchen werden deshalb nicht ignoriert oder schlecht behandelt. Aber dieses Wochenende habe ich den "Vorteil in Asien ein Junge zu sein" doch etwas mehr verstanden.
Okay, ich hoffe, dass ich es jetzt gut auf die Reihe bekomme es verstöndlich zu erklären.
Diese ganze "Jungs-Geschichte" hat sehr viel mit der Religion hier zu tun. Wie auch in Deutschland gibt es in Taiwan verschiedene Arten Menschen zu beerdigen. Es gibt die Urnengräber, aber auch Sarggräber.
Oft kommt es auch darauf an, wieviel Geld eine Familie hat, was sie sich leisten kann und was ihr Wunsch ist, wie begraben zu werden.
Bei meiner Gastmama ist es so, dass die ganze männliche Linie ihrer Familie in einem Tempel begraben ist. Ihr Nachname ist "謝 xie". Und dieser Tempel heißt auch "謝 xie". Das heißt alle Menschen (nicht nur ihre Familie), die "謝 xie" heißen, können dort begraben werden, ABER nur die Männer der Familie "謝 xie" und ihre Familien - heißt: ihr Papa und seine Frau, sein Sohn und dessen Frau und Sohn. Die Töchter aber nicht. DENN: in Taiwan (und überhaupt in Asien) ist es üblich, dass die Tochter mit der Heirat "offiziell" aus der Familie austritt und in die Familie des Mannes einheiratet. Wenn die Familie des Ehemanns es auch bevorzugt in so einem "Namens-Tempel" beerdigt zu werden, dann kann die Frau dann dort mit hin, da sie ja in diese Familie eingeheiratet hat.
Also: wenn meine Gastmama irgendwann stirbt, dann kann sie nicht mit zum  "謝 xie" - Tempel (auch nicht zum Besuch), sondern (falls die Familie meines Gastpapa auch so einen "Namens-Tempel" bevorzugen würde) zu dem "Namens-Tempel" meines Gastpapas, der mit Nachnamen "蔡 cai" heißt. Meine Gastschwestern allerdings können nicht mit dorthin, weil sie mit ihrer Heirat "offiziell" aus der "蔡 cai"-Familie ausheiraten. Wenn sie einen Bruder hätten, dann könnte dieser mit in den "蔡 cai"-Tempel und dessen Familie dann auch (wenn er dann Töchter hätte, können diese wiederum nicht mit in den Tempel; nur er, Ehefrau und Söhne). Allerdings hat meine Gastfamilie nur Töchter. Und hier kommt der Punkt:
wenn es niemanden in der nächsten Generation mehr gibt, der in den Tempel "hineinstirbt", dann hat diese Familie sozusagen keinen Nachfahren mehr, den sie dann "später" wiedersehen können. Aber für Asiaten ist es eben eine sehr große Ehre und etwas sehr Besonderes die Familie und den Familiennamen solange wie möglich aufrecht zu erhalten. Und deshalb ist es so "glücklich", wenn das Baby ein Junge ist, denn dann kann der Familienname länger erhalten bleiben.
Allerdings "liegt" die Familie meines Gastpapas "蔡 cai" nicht in so einem "Namens-Tempel". Denn seine Familie kommt ursprünglich aus China, durch den Taiwan-China-Konflikt ist seine Familie nach Taiwan gezogen, das heißt, dass es in Taiwan von seiner Familie nur ihn, seine Schwester und seine Eltern gibt, deshalb gibt es kein großes Familiengrab, da der Rest seiner Familie in China lebt, die er aber nie wirklich kennengelernt hat. 
Es gibt auch noch weitere, andere Tempel, die zwar speziell für Urnen ausgelegt sind, wo es aber nicht darauf ankommt, wie du heißt. Ähnlich wie bei uns kauft man bei dem Tod eines Menschen einen Platz in diesem Tempel (bei uns wäre das dann der Friedhof). Man kann auch entscheiden, wieviel Plätze man kauft (z.B. für Ehefrau und Ehemann zusammen). Und die Eltern meines Gastpapas liegen in so einem Tempel.
Und diesen haben wir am Gräbertag besucht - was sich aber nach der ganzen "Sterbens-Erklärung" dann auch nochmal als sehr speziell herausgestellt hat. Denn:

 Als erstes mussten wir sehr lange anstehen, weil wir auf den shuttle bus gewartet haben, der uns zu dem Tempel bringt. Und es waren seeeeeehr viele Menschen unterwegs dorthin.
Wir wollten nicht das Auto nehmen, weil wir vielleicht eh keinen Parkplatz gefunden hätten.
 Einen Abend vor dem Gräbertag kochen die Frauen Zuhause eine ganze Menge an Essen, es wird am Morgen dann auch noch frisches Obst gekauft, welches dann alles in die "Vorhalle" des Tempels gebracht wird. Das Essen wird auf einem bestimmten Platz auf dem Tisch abgestellt.
 Im Tempel selbst wird dann noch Papiergeld gekauft, welches sich in den roten und gelben Packeten hier auf dem Foto befindet. Dieses wird dann neben deinen gekochten Speisen abgelegt.
Und dann heißt es weiter: während man zum Beten geht, kommen die Verstorbenen zu der Stelle an den Tisch (in der Vorhalle), wo du das Gekochte abgestellt hattest. Du hast es sozusagen als Geschenk für deine Vorfahren gekocht.
 Nach dem Beten geht es dann zur Beschauen der Urne. Seht ihr die vielen kleinen Buddhas an der Wand? Das sind eigentlich alles kleine Schränke, in denen sich die Urne befindet. Mein Gastpapa hat den Schlüssel des "Schränkchens" seiner Eltern immer bei sich.
Der Tempel ist mehrstöckig, da es so viele "Schränkchen" gibt. Im Vergleich mit unseren Gräbern in Deutschland, werden diese hier auch niemals zerstört, sie sind für ewig.
 Danach sind wir wieder in die Vorhalle zurückgegangen und haben das Papiergeld genommen und es in dieses große Feuer geworfen. Denn dann wird es "als Rauch" gen Himmel an die Vorfahren weitergeleitet, damit sie es benutzen können.
 Die Vorhalle befindet sich unter all diesen Planen, es war wirklich sehr groß.
Nachdem alles erledigt war, durften wir unsere Speisen wieder mitnehmen. Die Ahnen haben fertiggegessen, während wir beim Beten, Urneschauen und Geldverbrennen waren.

Ich fand das wirklich sehr interessant, zu sehen, wie verschiedene Religionen funktionieren und vorallem wie so eine Gräberstätte in Taiwan aussieht.
Zudem noch habe ich verstanden, weshalb das männliche Geschlecht in Asien oft "mehr wert" ist, als das Weibliche. Es hat einfach sehr viel mit Generationen und Religion zu tun, was sich dann aber auch auf den Alltag aufwirkt z.B. dass man den Mann immer zuerst begrüßt. Man sagt bei einer Rede auch nicht "Sehr verehrte Damen und Herren", man sagt stattdessen "Sehr verehrte Herren und Damen".
Ich finde es wirklich sehr interessant und bin wieder um einiges "schlauer" geworden ;)

Am Nachmittag haben wir uns etwas ausgeruht, abends allerdings hat mir meine Gastmama noch beigebracht wie man "蘿蔔糕 luo bo gao" (gebratener Rettichkuchen) macht. In Deutschland fand ich ja Rettich ehrlich gesagt immer ein bisschen langweilig und hat mir auch irgendwie nicht so gut geschmeckt. Aber jetzt weiß ich, wie man  "蘿蔔糕 luo bo gao" macht. Oft wird es hier auch zum Frühstück gegessen. Aber ich kann zum Frühstück nicht schon sowas herzhaftes essen, deshalb haben wir es zum Abend gemacht.

 Erst wird Reismehl mit Wasser vermischt.
 Dann wird der Rettich in ganz feine Streifen geschnitten. (Wir haben zusätzlich noch Plize dazugemacht, das schmeckt nämlich noch besser.)
 Dann wird der Rettich ganz leicht und sanft angebraten . . .
 . . . dann kommt das "trockene-Pilze-Einweichwasser" dazu und die Reismehl-Wasser-Mischung.
 Das ganze wird dann im Dampfgarer für ca. 40 Minuten gedampft.
Nachdem es eine Nacht abgekühlt ist, wird das ganze in Streifen geschnitten und dann angebraten.
Fertig :)

Und ich würde ja sagen, dass mein Wochenende bis dahin schon total interessant war, aber es war ja noch der Sonntag da. Und das ist nun ein ganz besonderer Tag in meinem Leben.
Ich habe im letzten Blog über die "Vegan-Gruppe" geschrieben, die sich ab und zu mal im Monat trifft. Eine davon leitet ein soziales Projekt, wo sie ein bis zweimal im Monat zu einem Waisenhaus fährt und dort mit den Kindern Spiele spielt oder kocht oder lernt oder wandern geht oder eben irgendwas mit ihnen macht.
Auf jeden Fall hatte sie das letzte Mal beim Pizza machen davon erzählt, und das sie mit den Kindern das nächste Mal eben auch diese "gesunde Pizza" macht dazu noch Salate und vegetarische Bolognese, dass die Kinder eben ein bisschen was über gesunde Ernährung lernen u.s.w.
Und das fand ich total interessant. Etwas für die Gemeinschaft tun, tut immer gut und deshalb habe ich sie gefragt, ob ich mitmachen kann und auch eine Gruppe betreuen darf. Meinem Chinesisch habe ich das halbwegs zugetraut also warum nicht. 
Also sind wir "Betreuer" am Sonntagmorgen alle zusammen nach Taoyuan gefahren (außerhalb Taipeis, in der Nähe vom Flughafen, wo ich damals gelandet bin) und haben einen wundervollen Tag mit den Kindern verbracht.
Ich war die einzige Ausländerin dort und natürlich wurde ich dann wieder gefragt: "Woher kommst du?" "Sind deine Augen echt?" "Darf ich deine Haare anfassen?"
Aber zu diesen ganzen "Klischee-Fragen" kamen dann auch noch Fragen dazu, wie: Hast du noch Eltern?" "Sind deine Eltern tot?" "Hast du da damals geweint, als der Papa gestorben ist?" Sie haben das total direkt gefragt und das fand ich so schön! Überhaupt kein "Tut mir Leid . . . bla bla bla.". Sie haben einfach direkt gefragt und nichts drumherum. 
Die Mehrheit der Kinder sind aber Waisen, nicht weil ihre Eltern gestorben sind (nur ein paar), sondern eher weil sie von den Eltern brutal behandelt oder misshandelt wurden. Aber sie wissen trotzdem darüber Bescheid und reden da ganz offen drüber.
Und danach haben sie mir ein Spiel beigebracht, das ganz ähnlich zu "Schere, Stein, Papier" ist und wir haben das ca. 1 Stunde lang gespielt. Dann dachte ich: "Okay, jetzt muss mal was anderes her" und ich habe ihnen "Ich sehe was, das du nicht siehst und das ist . . . ". Und das fanden sie ganz ganz toll.
Und es war so unglaublich schön zu sehen, dass sie so glücklich sind. In diesem Heim leben nur 20 Kinder (was auch genug ist) und sie kannten einander und sie waren einfach zusammen wie eine Familie, die Großen passen auf die Kleinen auf. Und wir haben da 2 Stunden einfach nur gespielt und es war überhaupt nicht schlimm, dass ich manchmal nicht verstanden habe, was sie gesagt haben. Denn selbst wenn du einen Fehler machst, dann lachen sie und das ist so schön! Lachen ist so wichtig!
Irgendwann haben wir angefangen den Teig zu machen und das war auch sehr großer Spaß, die Kinder haben sich richtig gefreut als sie den Teig auf den Tisch knallen durften :)










Während wir darauf gewartet haben, dass der Teig geht, haben wir Windespiele gebaut. Weil ich das schon vorher gesagt bekommen habe, habe ich meine Gastmama gefragt, ob sie denn noch altes Besteck oder ähnliche Dinge hat. Hatte sie. Und das hat sie mir dann alles mitgegeben, was wir dann für das Windspiel benutzt haben.
Natürlich mussten wir auch noch Stöcke suchen und haben noch ein bisschen Müll eingesammelt, um das dann alles an unser Windspiel zu hängen.










Danach wurde eine kleine Bastelpause gemacht und wir haben die Pizza belegt.








Und so ging es dann immer im Wechsel von Pizzateig machen, Basteln, Pizza belegen und backen, Basteln bis wir dann irgendwann die Pizza essen durften. Dazu noch haben wir diverse Salate und Nudeln gemacht.











Und das sind unsere Windspiele:




 Das ist das Windspiel, das ich mit meiner Gruppe gemacht habe.

Und noch gaaaanz viele andere :)

Ich war an diesem Tag einfach so glücklich, einfach nur weil ich andere glücklich gemacht habe. Und das hat sich so richtig toll angefühlt. Und da habe ich mal wieder gemerkt, dass es eigentlich überhaupt nicht schwierig ist glücklich zu sein. 
Am Anfang hatte ich ein bisschen Sorgen, dass mein Chinesisch nicht so gut ist oder dass ich nicht weiß, was ich mit den Kindern machen soll. Aber diese Sorgen waren überhaupt nicht nötig, denn sie waren selber so neugierig, dass sie gefragt haben, dass sie gespielt haben, dass sie dich an der Hand genommen haben und dir alles gezeigt haben, es war so schön. Und ich kann es nur jedem erzählen und jedem ans Herz legen: anderen Menschen helfen macht so glücklich! Und ich muss das jetzt hier auch mal schreiben - ich kenne sehr viele Menschen, die sich zwar über das viele Leid in der Welt aufregen und die sich davor fürchten oder froh sind, dass sie damit nichts zu tun haben. Aber was hilft das den Betroffenen? Mitleid hilft ihnen nicht. Verständnis und Beschäftigung und Reden und ein offenes Ohr und Herzlichkeit und Liebe helfen aber ganz bestimmt. Und es ist ein altbekannter Spruch, aber er stimmt: "Das einzige, das mehr wird, wenn man es teilt, ist die Liebe."
Also bitte handeln. Nicht zuschauen und trauern. Einfach handeln. Der wer Liebe teilt bekommt so viel mehr zurück!

Auch dieser Tag hat mich nochmal dazu ermutigt später als Beruf etwas zu wählen, was mir Spaß macht und was mich erfüllt. Ich möchte positive Veränderungen schaffen, klein anfangen. Aber viele kleine Dinge führen auch zu etwas Großem. Wir können die Welt wohl nie ganz in Frieden sehen. Aber solange wir immer kleine Schritte tun, desto mehr häuft sich dann eben auch an. Ich möchte Menschen zusammenbringen. Und wie ich schon gesagt habe, du gibst du ein bisschen was von dir, bekommst aber so viel mehr zurück, wenn du das Glück in den Gesichern der anderen siehst und das ist so wertvoll, weil es dich von innen erfüllt.
Ich kann garnicht sagen, wie glücklich mich dieser Tag gestimmt hat. Ich war einfach ich.

Damit verabschiede ich mich für heute.

Eure Anna