Sonntag, 22. März 2015

Unter 100 Tage . . .

"Wenn man realisiert, dass einem nicht mehr viel Zeit bleibt, sollte man sie mit den Menschen verbringen, die man am meisten liebt."

Hallo,

wer sich auf eine Reise begibt, der macht sich auch auf zu einem Abenteuer; der nimmt die Möglichkeit an, in ein neues Leben zu gehen. Gleichzeitig bekommt er die Möglichkeit neue Perspektiven zu entdecken, Menschen kennenzulernen, die dich inspirieren; über seine eigenen Gedanken und sein Handeln nachzudenken.

Und an alle Outbounds: wenn ihr mal Heimweh haben solltet, seid bitte nicht so dumm wie ich und fangt an Tage zu zählen. Das ist die dümmste Idee auf der Welt.

. . . . . .

Die Woche war eigentlich so ziemlich ruhig und es ist nichts Großes passiert. Ich hatte Dienstags eine Power Point Präsentation in der Schule meiner japanischen Freundin über mein Austauschleben, hab mir bei pacour mein Schienbein eingehauen und habe nun zwei große blaue Flecken, aber sonst ist nichts Neues. Achja, allerdings mein Halbmarathon wurde abgesagt, weil die Regierung eine Straße nicht freigibt. Deshalb warte ich jetzt darauf mein Geld wiederzubekommen. Allerdings wollen meine dänische Freundin und ich trotzdem 21 km laufen, allerdings dann unsere eigene Strecke am Fluss entlang und ein paar andere Austauschschüler fahren mit dem u-Bike nebenher, um uns anzufeuern. Dummerweise sind meine Laufschuhe nun kaputt, und ich habe immer Blasen bekommen, sodass ich mir Freitag neue gekauft habe, aber die bis zum Lauf erst einen Monat eingelaufen werden müssen. Ein bisschen nervig. Aber okay.

Hier mal zwei Bilder aus meiner Chinesischklasse:

 Letzte Stunde haben wir Liebesgeschichten und Heiratsanträge auf Chinesisch gelesen. (Hier gespielt von einem Dänen und Finnen) - haha ;)
 Und über Krankheiten reden wir auch, wie z.B. Diabetes. Fast schon wie eine Medizinklasse ;)
"Diabetes" auf Chinesisch heißt wortwörtlich übersetzt: "Zucker pullern Krankheit" 
(ja, wirklich; nicht "Urin", sondern "pullern"). Fand ich ganz lustig, das hier zu erwähnen :)
Ich meine vom sachlichen Inhalt stimmt es ja. Früher haben Ärzte herausgefunden, ob jemand Diabetes hat oder nicht, indem sie den Urin probiert haben. War dieser süß (der ganze Zucker muss ja irgendwie ausgeschieden werden), hatte der Patient Diabetes.

Was noch ganz interessant ist, war mein Wochenende.
Denn Samstag habe ich an einem Pizza-Backkurs mitgemacht. Ich habe durch Zufall eine vegane Gruppe in Taipei gefunden. In dieser Gruppe sind sehr viele Ausländer, das heißt wir reden fast die ganze Zeit Englisch. Sie treffen sich einmal in der Woche oder aller zwei Wochen und testen ein neues Restaurant oder kochen gemeinsam oder tauschen Rezepte oder oder oder. Und So habe ich mich für den Pizzakurs eingeschrieben und habe wieder viele neue Bekanntschaften gemacht. Der Backkurs hat in der veganen Bäckerei stattgefunden und es war wirklich so nett, mal wieder mit Veganern vegan zu essen (das mag komisch klingen, aber es ist echt anders. Man tauscht sich dann über Rezepte aus und redet über das vegane Leben in Taipei und Taiwan.) Da es viele Ausländer in der Gruppe gab, habe ich auch erfahren wie es ist, sich vegan in anderen Ländern, z.B. Estland, Amerika oder England oder Irland zu ernähren.
Es war wirklich sehr interessant und es war so schön einen Abend in einer gemütlichen Runde zu verbringen. Ich werde ganz bestimmt wieder etwas mit der Gruppe unternehmen.
Wir haben auch viel über Auslandserfahrungen gesprochen. Z.B. hat eine Person schon ein paar Monate in Malaysia gewohnt und ist mit dem Rucksack unterwegs, reist von Land zu Land (Bagpacking - meiner Meinung nach die beste Art ein Land kennenzulernen), eine hat auch schon in Thailand gelebt und studiert nun in Taiwan chinesische Philosophie. Einige Studenten von der National Taiwan University waren auch dabei, aber auch welche, die schon seit 10 Jahren in Taiwan leben.
Das erweitert das Denken unheimlich und regt zum Nachdenken an. Ich habe auch neulich mal mit einer Freundin über weitere Auslandserfahrung geredet, vielleicht nicht nochmal als Austauschschüler, aber vielleicht nach dem Abi als Aupair Mädchen in einem anderen Land oder während des Studiums ein Auslandssemester. Rotary bietet ab diesem Jahr auch ein neues Programm an, welches sich "New Generation Exchange" (oder so) nennt. Da kann man im Alter von 19 (oder 20) bis 30 mit Rotary in den Austausch gehen, allerdings diesmal nicht als Schulaustausch, sondern die Arbeit im Ausland steht da im Vordergrund.
Mal sehen, man kann ja mal überlegen.
Aber das liebe ich an Gesprächen, man wird immer wieder zu neuen Überlegungen angeregt.  
Es passiert doch immerwieder etwas Neues während meines Austauschjahres :)

 Unsere Gruppe
 Posieren mit Tomaten - Basilikum - Creme
 Viele neue Bekanntschaften (hier: Amerika)
 Und während der Teig gegangen ist, oder die Pizza im Ofen gebacken ist, konnten wir von verschiedenen Desserts kosten.


Und das ist dann die fertige vegane Pizza :)

Am Sonntag hatte ich mal wieder eine Rotary-Aktivität mit den Austauschschülern, wir sind nach Yingge gefahren, was ca. 10 Minuten von meinem Haus entfernt ist (mit dem Auto, man muss praktisch nur einmal über die Brücke fahren). Ich wohne ja nicht direkt in Taipei, sondern außerhalb. So sind die anderen Austauschschüler mit dem Zug gekommen und mich hat mein Nachbar, der Chairman von meinem Distrikt mitgenommen und wir sind zusammen hingefahren.
Yingge ist bekannt für seine Töpfereien und Töpferarbeiten. Hier findet man viel chinesische Tonkunst, es gibt auch ein großes (kostenfreies) Museum.
Der ganze Ort ist voll mit diesen Tongeschirr - Läden, es gibt auch eine alte Straße im japanischen Stil (diese Straßen sind in Taiwan sehr bekannt), wo es diese Tonarbeiten zu kaufen gibt.
Davor konnten wir sogar selber probieren zu töpfern, so richtig mit einer Drehscheibe.



 Garnicht so einfach . . .

 Ich habe mir eine Müslischüssel gemacht :)



 蔡 - mein chinesischer Familienname.
Oh, ich habe gerade realisiert, dass ich ihn falsch geschrieben habe . . .Ahh, Mist . . 
 緣份 - ein Wort, das eine Situation oder einen Moment oder ein Erlebnis beschreibt, das einfach zu deinem Leben dazugehört. So, als ob es so sein muss, das es passiert. Beziehungen, die entstehen und die dich prägen, auch wenn sie nicht für ewig halten, aber an die du dich immer erinnerst und die deinen Lebensweg beeinflussen.
 Andere Kreationen :)
 Und natürlich ganz besondere Talente mit Einfällen . . .
 . . . von Katzen in Bechern.
 Hier ging es dann zur Tonstück - Straße




 Dieses Haus habe ich fotographiert, weil ich finde, dass es sehr modern aussieht und es mich in Taiwan etwas überrascht hat.
 Einen Teeladen gab es auch, wo wir eine kleine Teeverkostung gemacht haben.

 Mein neuer Müslilöffel - haha ;)

Ja, das war meine Woche.

Ich muss nochmal zu meinem Anfangsthema zurückkommen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meinen letzten Tag hier in Taiwan denke. Und es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht wünsche, dass diese Zeit für ewig sein könnte. All die Beziehungen, all die Freundschaften, die man gefunden hat.
Ich habe mir Freundschaft in Deutschland eine so lange Zeit gewünscht, Beziehungen und Kontakte, integriert zu sein, angenommen zu werden. In einer Gruppe zu lachen und glücklich zu sein. Einfach mal "Nein" zu sagen, ohne dass der andere eingeschnappt ist, sondern das Entscheidungen akzeptiert werden. 
Es ist so toll, dass gespürt und gelernt zu haben und all die Lehren sind für ewig in mir, in meinem Denken und Handeln verankert.
Das fühlt sich so toll an und es macht dich so froh und dankbar. Und gleichzeitig kommt die Besonderheit hinzu, dass du diese Entwicklung mit dir anfangs völlig fremden Menschen durchgemacht hast. Und vorallem mit dir selbst! Denn du wurdest von deinem gewöhnten Umfeld getrennt und bist in eine völlig neue Welt geworfen worden, wo du eben anfangs nur dich selbst hattest. Und das ist das, was dich näher zu dir selbst bringt. 
Aber wenn man Menschen oder Orten nah kommt, dann tut es auch noch viel mehr weh, wenn diese Beziehungen auseinandergehen. Umso näher etwas aneinander war, desto schwerer fällt es, wieder in eine Distanz zu gehen.
Und es tut so unheimlich weh. Doch ich werde keinen Tag hier vergessen. Und ich bin ja noch hier, ich sollte nicht an die Zukunft denken, sondern im Hier und Jetzt leben. Aber das ist wie wenn man sagen würde: "Denke jetzt bitte auf keinen Fall an einen lila Elefanten!" Man kann das nicht aufhalten.
Desto mehr bin ich darauf fokussiert all die Zeit hier noch in vollen Zügen zu geniessen, so gut ich das kann.

Nutze jede Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu treten. Mit Menschen, die dir auch anfangs sehr komisch erscheinen. Auf der Visitenkarte meiner dänsichen Freundin steht: "A stranger is a friend you haven't met yet." (Ein Fremder ist ein Freund, den du noch nicht getroffen hast). Und das ist so wahr. Wieviele Vorurteile ich eigentlich gehabt hatte, was ich über verschiedene Länder gedacht und erwartet habe, ist nun wie verschwunden. Ich habe Freunde gefunden, wo ich mir anfangs nie vorgestellt hätte, dass ich mal mit solchen Leuten in Kontakt treten würde. Nur weil ich mich mit ihnen unterhalten habe. Weil wir erzählt und diskutiert und Erfahrungen geteilt haben.

Ein wichtiger Punkt in dem Notizbuch eines Freundes, das er mir bei seiner Abreise geschenkt hat. 
"Share stories" - "Teilt Geschichten/Erfahrungen"

Anna

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